Zeichenraum Schaffhausen (CH) und Tuttlingen

Hier Narbiges – da zarte Transparenz

Andreas Rosenthal im Forum VEBIKUS

Es könnte beklemmen, ausschließlich mit den geschwärzten, gekerbten, wuchtig düster dominierten Holztafeln, ihrer seltsam narbigen Oberflächenstrukturierung konfrontiert zu sein, die so krass diametral zu der Heiterkeit und Lebenslust der gegenwärtigen Sommertage stehen. Es könnte das “nicht bildhaft erzählte” von Andreas Rosenthal, welches einen buchstäblich anspringt in Fünferserie, mit seiner Strenge und den immer wieder variierten Ritzungen, Sägespuren, den Schrunden, einen traurig machen: So also haben sich Seinserfahrungen eines Künstlers unserer Zeit einen sublimierenden (Aus-) Weg wie mit der Machete durch den bildnerischen Ausdruck freigeschlagen. Schwarz wiegt vor. Doch da ist ebenso auch die Transparenz schwebender Bilder mit ihrer Zartheit – fast wie japanische Tuschezeichnungen – im Raum gegenwärtig. Sie verbinden die seriellen weißen Tafeln mit dem Raum. Sie geben der Wucht der Schwärze ein Gegenüber. Durchscheinend vermitteln sie den Begriff von Mehrschichtigkeit: Man kann um sie herumgehen. Sie sind leise – und ihre Durchsichtigkeit hat Kraft. Es ist, als ob ihre feine Bewegtheit die Kerben und Wunden und Schrunden all des Schabens und Zufügens und Kratzens mildern, ja aufwiegen würde.

Das eine ist ohne das andere in dieser für den Vebikus-Raum innerhalb von neun Monaten gestalteten Installation nicht denkbar. Andreas Rosenthal hat hier eine
Gesamtarbeit geschaffen, bei der vielleicht die Verschiedenheit von Macht und Kraft sich manifestiert, weil das lebendig Zarte mit einem Male eine Gleichgewichtigkeit erkennen lässt. 

In seiner musisch und wissenschaftlich grenzüberschreitenden Einführung verglich Dr. Jürgen Glocker fundiert diese neue Arbeit des Künstlers in ihrer bildnerischen Poesie mit der Musik von John Cage und Maurizio
Kagel: Man müsse sie vielleicht als Partitur lesen.
Zitat: “Rosenthal hat die Grafik transformiert, transzendiert, die Gattungsgrenzen längst hinter sich gelassen.” Jürgen Glocker nennt dessen Kunst auch eine Zeichensprache, die (...) ohne stofflichen Boden auskomme. Die Ausstellung des in Schaffhausen bereits bekannten westfälischen Künstlers dauert im Vebikus bis zum 23. Juni.  

Ursula Noser
Schaffhausener Nachrichten, 4. Juni 1996

Dem Holz entrissene Grafik und Reliefs aus Papier

Andreas Rosenthal zeigt vielschichtige Schwarzweißmalerei

Eigentlich ist das Werk von Andreas Rosenthal, wie es sich seit gestern in der städtischen Galerie präsentiert, ein Werk, das sich aus Gegensätzen definiert, verbunden allenfalls durch den gestisch bestimmten Duktus. Formate von Wandgröße stehen Serien kleiner Flächen gegenüber, solides Schichtholz transparentem Papier, Schwarz und Weiß als größtmöglicher und – fast – einziger Kontrast. Der Griff in die graphische Abteilung scheint näher als jener in die Malerei, offenkundiger als jener in die Bildhauerei.

Dennoch: Es wäre eine oberflächliche Weise, sich in den Bildern des Münsteraner Künstlers zu nähern, denn sie sind vielschichtig, im wahrsten Sinne des Wortes, sie
haben verschiedene Seiten, und sie tragen die Spuren aller drei Disziplinen. Auch eine Papierarbeit trägt durch ihren Entstehungsprozeß die Züge eines Reliefs, bedingt also eine bildhauerische Auseinandersetzung. Die “Raum-Zeichnungen” haben zwar zwei bildtragende Seiten, auf denen schwarze Zeichen, Kalligrafien einer subjektiven Sprache, sichtbar werden, reichen allerdings durch ihre Transparenz, die Wahrnehmung der anderen Seite aufgrund der nunmehr grau scheinenden Flächen weit über die Zweidimensionalität hinaus.

Andererseits sind die Reliefs, die Rosenthal aus dem Schichtholz sägt und stemmt, in denen Dr. Adolf Smitmans, der gestern abend in das Werk Rosenthals einführte, den “Spürsinn für unsere geahnten Möglichkeiten sowie unser zugefügtes wie erlittenes Leid” liest, bei all ihrer Kantigkeit, den gerissenen Holzwunden und aufgebäumten Splittern auch fast sublime Grafiken, die nun wirklich in die Tiefe gehen, eine Malerei aus größten und kleinsten schwarzen und weißen Flächen.

Bodo Schnekenburger
Tuttlinger Zeitung, 4./5. April 1998

Zeichenraum Schaffhausen
Forum VEBICUS, Kammgarnhallen, 1996
Zeichenraum Schaffhausen
Forum VEBICUS, Kammgarnhallen, 1996
Zeichenraum Tuttlingen
Städtische Galerie Tuttlingen, 1998
Zeichenraum Tuttlingen
Städtische Galerie Tuttlingen, 1998
Zeichenraum Tuttlingen
Städtische Galerie Tuttlingen, 1998
Zeichenraum Tuttlingen
Städtische Galerie Tuttlingen, 1998